Donnerstag, 27. Juni 2013

Bedeutung der Nachhaltigkeit

2.1. Grundlagen der Nachhaltigkeitsdebatte


Nachhaltigkeit ist kein klar abzugrenzender Begriff, der mit einer international genormten Definition erklärt werden kann. Vielmehr ist es ein Konzept, das von vielen Unschärfen geprägt ist. Im Jahr 1996 gab es bereits über 60 verschiedene Definitionen des Begriffes Nachhaltigkeit (vgl. Tremmel 2003 S. 99ff). Ziel dieses Kapitels ist es nicht, die einzelnen Definitionen zu erläutern und voneinander abzugrenzen, sondern einen Überblick über die Prinzipien und Ansätze der Nachhaltigkeit zu gewähren. Beginnend mit der historischen Entwicklung, wird ein erster Einstieg in das Thema gewährt. Darauf folgend werden die Dimensionen der Nachhaltigkeit erläutert. Abschließend wird auf die zentralen Aspekte der Nachhaltigkeit eingegangen. Auf diese Weise wird versucht den Begriff Nachhaltigkeit möglichst sinnvoll darzulegen und eine anschlussfähige Grundlage für weitergehende Diskussionen rund um das Thema Nachhaltigkeit zu bieten.

2.1.1 Historische Entwicklung

Der Begriff Nachhaltigkeit (eng. Sustainability) beziehungsweise nachhaltige Entwicklung (eng. Sustainable Development) ist bereits seit Jahrtausenden verknüpft mit menschlichen Handeln. Naturvölker, die nur so viele Ressourcen verbrauchen, wie sie zum leben benötigen, können als Begründer dieser Thematik angesehen werden. Überall dort, wo das Eingreifen des Menschen durch Ausbeutung natürlicher Ressourcen deutlich sichtbar war, entwickelte sich das Konzept der Nachhaltigkeit (vgl. Brugger 2010 S.13f). Mitte des 12. Jahrhunderts findet sich erstmals die Erwähnung des Konzepts einer nachhaltigen Entwicklung (vgl. Vorholz 1995 S.20). Seinen Anfang nahm die Nachhaltigkeit in der europäischen Forstwirtschaft. Ende des 18. Jahrhunderts fand das Konzept einer nachhaltigen Entwicklung Einzug in die deutsche Forstverordnung (vgl. Schaltegger/Burrit/Petersen S.22). Laut Verordnung sollte nur so viel Holz geschlagen werden, wie durch natürliche Regenerationsprozesse kompensiert werden kann, um langfristige ökonomische Nutzung zu gewährleisten. Ursprünglich war Nachhaltigkeit somit ein betriebswirtschaftlicher Begriff (vgl. Matten/Wagner 1998 S.54)
Die moderne Nachhaltigkeitsdebatte begann in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Der Fokus lag dabei zunächst auf den ökologischen Aspekten, was sich in der damals vom Club of Rome in Auftrag gegebenen Studie The Limits to Growth (vgl. Meadows 1972) widerspiegelte. Diese fand breiten Anklang in der öffentlichen Diskussion. Die Studie kam zu dem Schluss: „Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht“ (vgl. Meadows 1972 S.17) Aus diesem Grund bestand die Hauptforderung der Studie darin, einen „ökologischen und wirtschaftlichen Gleichgewichtszustand herbeizuführen, der auch in weiterer Zukunft aufrecht erhalten werden kann“ (Meadows 1972 S.17). Wachgerüttelt durch die Studie, gab es in den Folgejahren, beginnend mit der Umweltkonferenz der Vereinten Nation (eng. United Nations, UN), zahlreiche Studien und Konferenzen, die diese Schlussfolgerungen weiter analysierten und diskutierten. Noch im selben Jahr verabschiedete die UN-Vollversammlung das UN-Umweltprogramm (United Nations Environmental Program, UNEP) (vgl. Burschel/Losen/Wiendl 2004, S.15f), mit der Mission, die Umwelt zu schützen1. Der Bericht Our Common Future der World Commission on Environment and Development (WCED) verlieh dem Begriff nachhaltige Entwicklung mehr Komplexität und löste die Abkehr von der bis dato vorherrschenden ökozentrischen Sichtweise aus. Der Bericht, benannt nach der Vorsitzenden der Kommission und damaligen norwegischen Ministerpräsidenten Brundtland, war von zentraler Bedeutung für die Öffentlichkeit. Die Kommission bestand aus multinationalen, hochkompetenten Mitgliedern und brachte einen hervorragend fundierten Bericht hervor. Erstmals wurde die Idee der nachhaltigen Entwicklung auf breiter Basis in das öffentliche Bewusstsein getragen (vgl. Matten/Wagner 1998 S. 55). Die von der Kommission entwickelte Definition des Begriffs nachhaltige Entwicklung lautet: „Sustainable Development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.“ (WCED 1987 S.43). Der Bericht zeigte drei Grundprinzipien der nachhaltigen Entwicklung auf (vgl. WCED 1987 S.43ff).
  1. Das Globale Prinzip: Die einzelnen Regionen der Welt sind derart miteinander verwoben, dass eine lokale Betrachtung als unzureichend erachtet wird.
  2. Der Zusammenhang von Umwelt- und Entwicklungspolitik: Umwelt- und Entwicklungspolitik können nicht mehr für sich betrachtet werden. Veränderungen der Umweltpolitik haben Auswirkungen auf die Entwicklungspolitik und umgekehrt
  3. Inter- und intragenerative Gerechtigkeit. Die Lebensqualität, die aus dem Verbrauch von Ressourcen resultiert, sollte in dem Maße mit der Umwelt verträglich sein, dass sie von der lebenden als auch von folgenden Generationen angestrebt werden kann.
Anhand des Berichts lässt sich erstmalig in der Geschichte ein Zusammenhang zwischen umwelt- und entwicklungspolitischen Problemen erkennen und verdeutlicht die Transformation der nachhaltigen Entwicklung zu einem anthropogenen Entwicklungskonzept (vgl. WCED 1987 S.43ff). Der Bericht wurde vielfach kritisiert, denn als multinationales Konsensdokument formulierte es nur sehr vage Lösungsansätze (vgl. Harborth 1993, S.59ff) und forderte nicht zu verbindlichen internationalen Handeln oder Vereinbarungen auf. Der Bericht kann vielmehr als Grundlage der nachhaltigen Entwicklungsthematik angesehen werden (vgl. Hülsmann 2004 S.40)
Wie von der Brundtland-Kommission vorgeschlagen, fanden fortlaufende internationale Folgekonferenzen statt. Eine wichtige und wegweisende Konferenz markierte die United Nations Conference on Environment and Development (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro. In dieser Konferenz wurden mehrere Dokumente erarbeitet, wobei das wichtigste die Agenda 21 darstellt. Diese stellt ein umfassendes Aktionsprogramm für eine nachhaltige Entwicklung dar und gibt anders als der Brundtland-Bericht, „konkrete Handlungsempfehlungen für eine Vielzahl umwelt- und entwicklungspolitischer Bereiche“ (Brugger 2010 S.16) vor. Neben den Teilnehmern der 171 Staaten und den UN offiziellen, waren eine Vielzahl an Nichtstaatlicher Organisationen (NGO) anwesend. Diese forcierten neben den politischen Entscheidungsträgern das Konzept einer nachhaltigen ökonomischen Verhaltensweise (Gordon/Bigg 1994 S.39ff). In der Konferenz von Rio wurden zum einen konkrete Handlungsempfehlungen für nachhaltige Entwicklung erarbeitet und zum anderen wurde der Grundstein für eine Institutionalisierung des Konzepts einer nachhaltigen Entwicklung gelegt.
Zehn Jahre später kam es in Johannesburg zur World Summit on Sustainable Development (Sing 2002 S.15). Dieser unter hohem Erwartungsdruck stehende Gipfel sollte der Nachhaltigkeitsdebatte, bzw. Politik neue Impulse verleihen. Mit dem Aktionsplan „Plan of Implementation of the World Summit on Sustainable Implementation“ bekräftigten 191 Staaten die Wichtigkeit der Agenda 21. Eine Konvention auf völkerrechtlicher Basis blieb aber aus. Dieser Aktionsplan wurde von vielen NGO als unzureichend deklariert, was dem allgemeinen Tenor zum Ausgang der Konferenz entsprach (vgl. Weidinger 2002 S.120). Auf der Konferenz wurden die unterschiedlichen Zielsetzungen der Teilnehmer deutlich. Für Industrienationen standen mehrheitlich umweltpolitische Fragen im Vordergrund, Entwicklungsländer hingegen sahen sozialpolitische Entwicklungen als wichtiger an. Das Begriffsverständnis einer nachhaltigen Entwicklung umfasst daher „die verschiedenen ökologischen, ökonomischen und sozialen Ziele bei der Bestimmung von Entwicklungszielen“ (Vorholz/Majer 1994, S. 629). In der Literatur spricht man bei den verschiedenen Themenfeldern von Dimensionen. Im folgenden Abschnitt folgt eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Dimensionen.

2.1.2 Dimensionen der Nachhaltigkeit

Die ökologische Dimension beschäftigt sich mit Fragen zur Belastbarkeit des vorhandenen Ökosystems. Die Erhaltung von Naturkapital ist dabei von zentraler Bedeutung (vgl. Siebenhüner 2001 S.82). Unter Naturkapital versteht man natürliche und somit nicht künstlich herstellbare Komponenten unseres Ökosystems. Zu diesen zählen, die Erde selber, die Atmosphäre, Biomasse, Fischbestände, Wälder, Erdöl, etc... (vgl. Costanza 1991 S.8). Die Wirtschaft als Bedürfnisbefriedigungssystem der Menschheit, greift nicht nur auf die natürlichen Ressourcen zu, vielmehr bilden sie die Grundlage für das Überleben der Menschheit (vgl. Siebenhüner 2001 S.82). Fragen, mit denen sich die ökologische Dimension beschäftigt, sind vielschichtig. Im Grunde genommen können mit dem Terminus ökologischer Nachhaltigkeit sämtliche Interaktionen zwischen Mensch und Natur assoziiert werden. Exemplarisch seien einige Problemstellungen erwähnt, mit denen sich die ökologische Dimension beschäftigt: Übermäßig emittierte Treibhausgase, darunter das klimaschädliche Kohlenstoffdioxid (CO2). Der beschleunigte Verbrauch endlicher Ressourcen durch den weltweiten Hunger auf Erdöl. Verlust der Biodiversität durch Aussterben von Pflanzen und Tieren und der damit einhergehenden Verkleinerung des Genpools. Die Produktion und Nutzung von Gefahrgütern (Plutonium), die eine Verschmutzung bzw. Vergiftung von Biotopen zur Folge hat (vgl. Rieß 2010 S.31ff).
Die soziale Dimension wurde lange Zeit vernachlässigt (vgl. Mathieu 2002 S.31), obwohl soziale Probleme einer stetig wachsenden Tendenz unterliegen (vgl. Enquete-Kommission 1998 S. 61). In den vergangenen Jahren hat es verschiedene Ansätze zur Operationalisierung gegeben, dennoch ist die soziale Dimension geprägt durch Unschärfen. Bisher hat es noch keine überzeugende Begründung für die Auswahl der Komponenten der sozialen Dimensionen gegeben (vgl. Kopfmüller et al. 2001 S.75). Im deutschsprachigen Raum sehr bekannt, ist der von der Enquete Kommission erarbeitete Ansatz der Operationalisierung. Dieser Ansatz ist wie viele andere Ansätze geprägt vom Prinzip einer sozialen Gerechtigkeit. Laut Kommission sind „soziale Stabilität und individuelle Freiheit […] unverzichtbare Pfeiler für eine nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung“ (Enquete-Kommission 1998 S.22). Solidarität bietet die Basis für gleiche, gerechte Entwicklungschancen und ist Voraussetzung für Individualität und Selbstentfaltung. Dabei muss sich das Individuum an dem Erhalt der solidarischen Grundordnung orientieren (vgl. Enquete-Kommission 1998 S.22f).
Die ökonomische Dimension und somit die menschliche Wirtschaftsweise sind zentral für wesentliche Aspekte der nachhaltigen Entwicklung. Traditionell liegt der Fokus in den Wirtschaftswissenschaften auf Effizienzaspekten (wie wird produziert) (vgl. Grunwald/Kopfmüller 2006 S.47f.) Von großer Bedeutung ist hier das Minimal-Prinzip, welches besagt, „dass eine bestimmte Leistung mit geringst möglichen Kosten, die mit einer Prozesskette verbunden sind, erbracht werden soll.“ (Tiedtke 2007 S.31). Die Vermeidung von Ressourcenverschwendung steht hier im Vordergrund, daher wird in der Literatur auch vom Effizienzprinzip gesprochen. Im Zuge der aufkommenden Nachhaltigkeitsdebatte stehen vermehrt Distributionsaspekte (für wen wird produziert) im Zentrum der ökonomischen Betrachtung. Verteilungsaspekte und die damit verbundenen Probleme sind in zunehmendem Maße Gegenstand der öffentlichen Realität. (vgl. Kopfmüller et al. S.85f). Das Streben nach Gewinnmaximierung ist nach wie vor ein gewichtiger Faktor der Ökonomie, jedoch geschieht dies unter neuen ethischen Gesichtspunkten. Es geschieht innerhalb ethisch, moralischer Grenzen. Das Wohlergehen der Gemeinschaft, als übergeordnete Wirtschaft tritt in den Vordergrund, um das Wohlergehen der derzeitigen und künftigen Generationen zu sichern vgl. (Enquete-Kommission 1998 S.26). Das bedeutetet im Umkehrschluss, dass im Extremfall einzelne Unternehmen geschlossen werden müssen, um die Gesamtstruktur der Wirtschaft zu verbessern (vgl. Fiedler 2007 S.19). Diese Auffassung führt zu unterschiedlichen Ausprägungen innerhalb der Nachhaltigkeitsthematik. Auf der einen Seite gibt es Vertreter einer schwachen Nachhaltigkeit, die den Verbrauch natürlichen Kapitals durch vom Menschen künstlich geschaffenes Kapital auszugleichen versuchen. Auf diese Weise werden den künftigen Generationen dieselben Voraussetzungen geboten wie der Heutigen. Auf der anderen Seite gibt es Vertreter einer starken Nachhaltigkeit, die das Naturkapital als nicht substituierbar ansehen und einen Verbrauch des Naturkapitals missbilligen, um den nachkommenden Generationen dieselben Voraussetzungen zu bieten (vgl. Wilderer/Schroeder/Kopp 2005 S.68).

2.1.3 Zentrale Aspekte

In der Literatur wird die Verflechtung der drei Dimensionen als Drei-Säulen-Modell bezeichnet. Obwohl eine ganzheitliche Betrachtung des Begriffs der Nachhaltigkeit nötig ist, hat es in der Vergangenheit immer wieder Ansätze gegeben, die nur eine der drei Dimensionen zur Lösung von Problemen berücksichtigte (vgl. Grunwald/Kopfmüller 2006 S.41). Die Betonung der jeweiligen Dimension richtete sich nach der Interessenlage derjenigen, die die Diskussion führten. Industrieländer verfolgten primär umweltpolitische Fragen und stellten die ökologische Dimension in den Vordergrund, Entwicklungsländer betrachteten die Debatte aus sozial-ökonomischer Entwicklungsperspektive (vgl. Kopfmüller et al. S.31). Jede Dimension besitzt das Potential isoliert betrachtet zu werden und darin liegt auch die Gefahr des Drei-Säulen-Modells. Wie in der Studie des Umweltbundesamtes 2002 deutlich wird, können durchaus überzeugende Argumente für die Betrachtung nur einer Dimension (in diesem Falle, der ökologischen Dimension) gefunden werden (vgl. Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen 2002, S.68). Es besteht daher die Gefahr, dass sich das Drei-Säulen-Modell selbst ad absurdum führt (vgl. Brand/Jochum 2000 S.75). Betrachtet man die Probleme dieser Welt, wird deutlich warum nur eine integrative, ganzheitliche Betrachtung das Konzept einer nachhaltigen Entwicklung beschreiben kann. Folgendes Beispiel verdeutlicht kurz die enge Verflechtung der einzelnen Dimensionen. Die Armut in Entwicklungsländern kann zunächst als ökonomisches Problem angesehen werden. Die Armut und Perspektivlosigkeit der Menschen führt zu übermäßiger Ausbeutung natürlicher Ressourcen, wie Fisch oder Holz. Aus der Überfischung und Überrodung entstehen ökologische Probleme. Möchte man die Fischerei und Abholzung wieder in ökologisch vertretbare Bahnen lenken, muss das ökonomische Problem der Armut gelöst werden. Dies obliegt in der Regel sozialen Herausforderungen, wie dem Aufbau eines Bildungssystems (vgl. Fiedler 2007 S.15). Die übergreifende Zielerreichung ist also nur möglich, wenn die drei Dimensionen integrativ betrachtet werden (vgl. Loew et al. 2004 S.58). Einige Autoren sprechen explizit von einer Triade (vgl. Langer 2011 S.10) oder Triple Bottom Line, um die Gleichberechtigung jeder Dimension zum Ausdruck zu bringen (vgl. Hermann 2005 S.15f). Bei dem Triple Bottom Line Ansatz schauen Unternehmen nicht nur auf die ökonomischen Kennzahlen, sondern sie beachten auch die Auswirkungen der unternehmerischen Tätigkeit auf Umwelt und Gesellschaft (vgl. Crane/Matten 2010 S.34). Diese Betrachtungsweise wird sowohl von Fachkreisen als auch gesellschaftlicher Seite mehrheitlich bejaht (vgl. Hamacher 2000 S.23). Wie in Abbildung 2.1 zu sehen, ist Nachhaltigkeit als gleichmäßige Schnittmenge aller Dimensionen zu verstehen. Maier-Rigaud bring mit der Aussage: „Eine Politik in Richtung Nachhaltigkeit soll danach ökologische, ökonomische und soziale Belange gleichrangig und gleichzeitig beachten und verfolgen. Als nachhaltig wird nur eine Entwicklung bezeichnet, die zugleich ökologie-, ökonomie-, und sozialverträglich ist“ (Maier-Rigaud 1997, S.311), die Wichtigkeit der Mehrdimensionalität des Nachhaltigkeitsbegriffs auf den Punkt.

Abbildung 2.1: Drei-Säulen-Model
Eigene Darstellung in Anlehnung an Clausen et al. 2002 S.107

Im Brundtland-Bericht wurde die Generationen-Gerechtigkeit als eines der Grundprinzipien der nachhaltigen Entwicklung erwähnt (vgl. Kapitel 2.1.1). Dieses Prinzip ist von essentieller Bedeutung innerhalb der Nachhaltigkeitsdebatte. So schreibt Kreibich: „Die Forderung nach intergenerativer Gerechtigkeit (Gerechtigkeit zwischen den Generationen) und intragenerativer Gerechtigkeit (Gerechtigkeit innerhalb einer Generation) bilden die wichtigsten normativen Grundlagen des Nachhaltigkeit-Leitbildes“ (Kreibich 2003 S.222). In dieser Aussage lässt sich erkennen, dass der Begriff der Generationen-Gerechtigkeit aus zwei Komponenten besteht. Zum einen inter-generative Gerechtigkeit. Laut Brundtland-Bericht steht hier die Rücksichtnahme der derzeitigen Generation auf kommende Generationen im Vordergrund (vgl. Blank 2001 S. 375). Die derzeitige Generation muss in dem Maße wirtschaften, dass die kommenden Generationen, dieselben Chancen auf Verwirklichung ihrer Bedürfnisbefriedigung besitzen (vgl. Tremmel 2003a S.34). Trägt die derzeitige Generation durch nachhaltige Interaktionen innerhalb der drei Dimensionen, diesem Ansatz keine Rechnung, sind künftige Generation in der Verwirklichung ihrer Lebensstile eingeschränkt (vgl. Spangenberg 2003 S.23f). Zum anderen intra-genererative-Gerechtigkeit, auch als intertemporär oder internationale bezeichnet. Hier stehen Verteilungsaspekte der derzeit lebenden Generation auf globaler Ebene im Vordergrund. Die Welt wird dabei in sich entwickelnde und Industrieländer aufgeteilt (vgl. Blank 2001 S. 375). Industrieländer haben demnach zur Aufgabe, die sich entwickelnden Länder zu unterstützen und die Lebensverhältnisse zu verbessern (vgl. Kramer/Wagner 2001 S.25). Das ursprüngliche Leitbild der inter-generativen-Gerechtigkeit wurde somit um die intra-generative-Gerechtigkeit erweitert. Das dies legitim ist, zeigt die mehrheitliche Befürwortung dieses Konzepts in der Gesellschaft (vgl. Lunau/Wettstein 2004 S.53). Die Gerechtigkeit zwischen den Generationen ist nur erstrebenswert, wenn die aktuelle Generation keinen Ungerechtigkeiten unterliegt. Diese Gerechtigkeit kann aber in der lebenden Generation nur erreicht werden, bei einem Ausgleich der Staaten untereinander. Dies wäre aber den zukünftigen Generationen gegenüber ungerecht (vgl. Brugger 2010 S.22).
Aus diesem Zielkonflikt wird deutlich, dass es verschiedene Konzepte zur Erreichung der Ziele bedarf. Eine Strategie zur Erreichung der Ziele ist eine gesteigerte Effizienz bei der Nutzung von Ressourcen. Eine Steigerung der Ressourcenkapazität, der Stoffumläufe und Energieeffizienz ist sowohl ökonomisch als auch ökologisch gesehen ein Vorteil. Es verringert ökonomisch die Kosten und ökologisch die Belastungen. Die Steigerung der Effizienz ist kein neues Konzept. In der Industrie ist die Steigerung von Effizienz und Effektivität schon lange Gegenstand der Bemühungen. Rationalisierungen und die Senkung von Input-Output-Koeffizienten sind bereits seit Beginn der Industrialisierung angestrebte Ziele zur Gewinnmaximierung (vgl. Huber 2000 S. 2). Auf diese Weise wird versucht die Grenzen des Wachstums zu umgehen und dieses mit weniger Folgeproblemen zu realisieren. Die Hoffnungen ruhen hierbei auf technologischen Fortschritt bei der Herstellung von Produkten, aber auch auf Wiederverwendbarkeit und Langlebigkeit selbiger (vgl. Grunwald/Kopfmüller 2006 S.76). Es gibt Vertreter einer optimistischen Auffassung, die von einer Effizienzrevolution sprechen. Diese postulieren, durch Erhöhung der Ressourceneffizienz und bei gleichbleibendem Konsumniveau, können die Input-Faktoren zur Bereitstellungen von Endleistungen um den Faktor vier bis zehn, also um bis zu 90% verringert werden (vgl. Weizsäcker/Lovins 1995, Schmidt-Bleek 1994).
Einen anderen Weg geht das Konsistenzkonzept. Hier stehen nicht quantitative, sondern qualitative Aspekte im Vordergrund. Im Kern geht es um die Substitution von Stoffen, um den natürlichen Stoffwechsel der Natur wieder herstellen zu können. Der Unterschied zur Effizienz wird besonders deutlich, wenn man den Energiesektor näher betrachtet. Das Effizienzprinzip versucht durch Erhöhung der Wirkungsgrade in fossil befeuerten Kraftwerken eine gesteigerte Energieausbeute zu ermöglichen. Vom Standpunkt der Konsistenz aus gesehen, wird versucht die fossil befeuerten Kraftwerke durch solare, regenerative Kraftwerke auszutauschen. (vgl. Huber 2000 S.3ff). Dieser Ansatz verfolgt ebenfalls ein Wachsen der Stoffströme und somit der Wirtschaft (vgl. Grunwald/Kopfmüller 2006 S.77).

Es gibt Vertreter der Auffassung, dass die Ziele der nachhaltigen Entwicklung mittels Effizienz und Konsistenz allein nicht erreicht werden können. So wird der Effizienz unterstellt, langfristig nicht nachhaltig zu sein. Effizienzsteigerungen am falschen Objekt, ein begrenzter Nutzen der Effizienzsteigerung am richtigen Objekt, aufgrund des Lebenszyklusprinzips und das Eintreten von Reboundeffekten lassen diesen Schluss zu (vgl. Huber 2000 S.10). Der Konsistenzansatz besitzt ebenfalls nur einen limitierten Lösungscharakter. Sowohl derzeit als auch in den nächsten Jahrzehnten wird es nicht möglich sein, die gesamte Wirtschaft und die benötigten Stoffströme zu substituieren. Ferner ist es fraglich, inwiefern Technik, Kapital und Wirtschaft, welche die Verursacher der Probleme sind, auch zur Lösung der Probleme beitragen können (vgl. Linz 2002 S.11). Tabelle 2.1 stellt diese Gründe zum besseren Verständnis nochmals dar und erläutert die jeweiligen Sachverhalte ausführlicher. Aus diesem Gedanken heraus entwickelte sich das Suffizienzkonzept. Es stellt den Verzicht auf Konsum in den Vordergrund und nicht mehr nur den alleinigen Wunsch nach Wachstum. Vielmehr spielen Attribute wie Selbstbegrenzung und Genügsamkeit eine vordergründige Rolle (vgl. Grunwald/Kopfmüller 2006 S.77). Es wird dabei eine postmaterielle Wertorientierung proklamiert, um der unattraktiven Philosophie des reinen Verzichts entgegenzuwirken (vgl. Hennicke 2002 S.66). Die Diskussion um freiwilligen Verzicht auf politischer Ebene ist dennoch heikel. Forderungen dürfen von moralischen Instanzen vorgebracht werden, aber aus der Politik sorgen sie für Verwunderung. Die Forderung eines Grünenpolitikers 1998 aus Suffizienzgedanken heraus auf die Formel 1 in Deutschland zu verzichten, sorgte für allgemeine Heiterkeit in der Gesellschaft (vgl. Peithmann 2002 S.49).
Das Suffizienzprinzip kann als Grundlage für das Effizienz -und Konsistenzprinzip angesehen werden. Die nicht integrative Betrachtung der Prinzipien kann der Komplexität des Nachhaltigkeitskonzeptes nicht gerecht werden. Nur eine komplementäre Betrachtung der Prinzipien kann dies leisten (vgl. Brugger 2010 S.24).
Art
Auswirkung
Effizienzsteigerung am falschen Objekt
Effizienzsteigerung bei fossilen Energieträgern, denn auf langfristige Sicht, sollen regenerative Energieträger die Basis bilden.
Effizienzsteigerung am richtigen Objekt
Der Grenznutzen eines Objekts nimmt im Verlauf der Zeit ab. Befindet sich Technologien oder Objekte im Lebenszyklus der Reife, sind Optimierung nur noch von geringerem Nutzen.
Der Reboundeffekt
Effizienzsteigerungen und Ressourceneinsparung werden durch gesteigerten Konsum ausgeglichen. Man kann hier von spezifischen Sparen, zwecks Reinvestieren sprechen (vgl. Huber 2000 S.10). Schaut man sich beispielsweise den Golf der ersten Generation von 1978 an, ergibt sich laut Hersteller ein Leergewicht von 845kg. Der Golf der sechsten Generation mit Baujahr 2008 hingegen weist laut Hersteller ein Leergewicht von 1217kg in der am schwächsten motorisierten Ausführung auf. Obwohl die Technologie sich in den letzten 30 Jahren ständig weiterentwickelte und Materialien immer leichter wurden, hat sich das Gewicht des Golfs um ca. 50% erhöht. Dies kann auf den gesteigerten Konsum und der erhöhten Nachfrage nach Luxus zurückzuweisen sein.
Substituierung
Das globale Wirtschaftsgefüge kann in den nächsten Jahrzehnten nicht soweit verändert werden, dass die benötigten Stoffstrome ganzheitlich ersetzt werden können. Es ist z. B. mehr als unwahrscheinlich, dass der weltweite Energiebedarf in den nächsten Jahrzehnten zu 100% von regenerativen Energien gedeckt wird (vgl. Linz 2002 S.10).

Die Probleme dieser Welt sind entstanden durch unsere Art zu wirtschaften und dem damit verbundenen Einsatz von Technologien. Es ist fraglich ob wir genau mit diesen Mitteln die entstandenen Probleme lösen können (vgl. Linz 2002 S.10).
Tabelle 2.1: Limitierte Lösungsansätze von Effizienz und Konsistenz

1Im englischen Original lautet die Mission heute: „ To provide leadership and encourage partnership in caring for the environment by inspiring, informing, and enabling nations and peoples to improve their quality of life without compromising that of future generations (UNEP 2011, About UNEP)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen