2.1. Grundlagen der Nachhaltigkeitsdebatte
Nachhaltigkeit
ist kein klar abzugrenzender Begriff, der mit einer international
genormten Definition erklärt werden kann. Vielmehr ist es ein
Konzept, das von vielen Unschärfen geprägt ist. Im Jahr 1996 gab es
bereits über 60 verschiedene Definitionen des Begriffes
Nachhaltigkeit (vgl. Tremmel 2003 S. 99ff). Ziel dieses Kapitels ist
es nicht, die einzelnen Definitionen zu erläutern und voneinander
abzugrenzen, sondern einen Überblick über die Prinzipien und
Ansätze der Nachhaltigkeit zu gewähren. Beginnend mit der
historischen Entwicklung, wird ein erster Einstieg in das Thema
gewährt. Darauf folgend werden die Dimensionen der Nachhaltigkeit
erläutert. Abschließend wird auf die zentralen Aspekte der
Nachhaltigkeit eingegangen. Auf diese Weise wird versucht den Begriff
Nachhaltigkeit möglichst sinnvoll darzulegen und eine
anschlussfähige Grundlage für weitergehende Diskussionen rund um
das Thema Nachhaltigkeit zu bieten.
2.1.1 Historische Entwicklung
Der
Begriff Nachhaltigkeit (eng. Sustainability)
beziehungsweise nachhaltige Entwicklung (eng. Sustainable
Development) ist bereits seit Jahrtausenden verknüpft mit
menschlichen Handeln. Naturvölker, die nur so viele Ressourcen
verbrauchen, wie sie zum leben benötigen, können als Begründer
dieser Thematik angesehen werden. Überall dort, wo das Eingreifen
des Menschen durch Ausbeutung natürlicher Ressourcen deutlich
sichtbar war, entwickelte sich das Konzept der Nachhaltigkeit (vgl. Brugger 2010
S.13f). Mitte des 12. Jahrhunderts findet sich erstmals die Erwähnung
des Konzepts einer nachhaltigen Entwicklung (vgl. Vorholz 1995 S.20).
Seinen Anfang nahm die Nachhaltigkeit in der europäischen
Forstwirtschaft. Ende des 18. Jahrhunderts fand das Konzept einer
nachhaltigen Entwicklung Einzug in die deutsche Forstverordnung
(vgl. Schaltegger/Burrit/Petersen S.22). Laut Verordnung sollte nur
so viel Holz geschlagen werden, wie durch natürliche
Regenerationsprozesse kompensiert werden kann, um langfristige
ökonomische Nutzung zu gewährleisten. Ursprünglich war
Nachhaltigkeit somit ein betriebswirtschaftlicher Begriff (vgl. Matten/Wagner 1998
S.54)
Die
moderne Nachhaltigkeitsdebatte begann in den 70er-Jahren des 20.
Jahrhunderts. Der Fokus lag dabei zunächst auf den ökologischen
Aspekten, was sich in der damals vom Club of Rome
in Auftrag gegebenen Studie The Limits to
Growth (vgl. Meadows 1972) widerspiegelte. Diese fand
breiten Anklang in der öffentlichen Diskussion. Die Studie kam zu
dem Schluss: „Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung,
der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der
Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen
Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten
Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre
erreicht“ (vgl. Meadows 1972 S.17) Aus diesem Grund bestand die
Hauptforderung der Studie darin, einen „ökologischen und
wirtschaftlichen Gleichgewichtszustand herbeizuführen, der auch in
weiterer Zukunft aufrecht erhalten werden kann“ (Meadows 1972
S.17). Wachgerüttelt durch die Studie, gab es in den Folgejahren,
beginnend mit der Umweltkonferenz der Vereinten Nation (eng. United
Nations, UN), zahlreiche Studien und Konferenzen, die diese
Schlussfolgerungen weiter analysierten und diskutierten. Noch im
selben Jahr verabschiedete die UN-Vollversammlung das
UN-Umweltprogramm (United Nations Environmental
Program, UNEP) (vgl. Burschel/Losen/Wiendl 2004, S.15f), mit
der Mission, die Umwelt zu schützen1.
Der Bericht Our Common Future
der World
Commission on Environment and
Development (WCED) verlieh
dem Begriff nachhaltige Entwicklung mehr Komplexität und löste die
Abkehr von der bis dato vorherrschenden ökozentrischen Sichtweise
aus. Der Bericht, benannt nach der Vorsitzenden der Kommission und
damaligen norwegischen Ministerpräsidenten Brundtland, war von
zentraler Bedeutung für die Öffentlichkeit. Die Kommission bestand
aus multinationalen, hochkompetenten Mitgliedern und brachte einen
hervorragend fundierten Bericht hervor. Erstmals wurde die Idee der
nachhaltigen Entwicklung auf breiter Basis in das öffentliche
Bewusstsein getragen (vgl. Matten/Wagner 1998 S. 55). Die von der
Kommission entwickelte Definition des Begriffs nachhaltige
Entwicklung lautet: „Sustainable Development is
development that meets the needs of the present without compromising
the ability of future generations to meet their own needs.“
(WCED 1987 S.43). Der Bericht zeigte drei Grundprinzipien der
nachhaltigen Entwicklung auf (vgl. WCED 1987 S.43ff).
- Das Globale Prinzip: Die einzelnen Regionen der Welt sind derart miteinander verwoben, dass eine lokale Betrachtung als unzureichend erachtet wird.
- Der Zusammenhang von Umwelt- und Entwicklungspolitik: Umwelt- und Entwicklungspolitik können nicht mehr für sich betrachtet werden. Veränderungen der Umweltpolitik haben Auswirkungen auf die Entwicklungspolitik und umgekehrt
- Inter- und intragenerative Gerechtigkeit. Die Lebensqualität, die aus dem Verbrauch von Ressourcen resultiert, sollte in dem Maße mit der Umwelt verträglich sein, dass sie von der lebenden als auch von folgenden Generationen angestrebt werden kann.
Anhand
des Berichts lässt sich erstmalig in der Geschichte ein Zusammenhang
zwischen umwelt- und entwicklungspolitischen Problemen erkennen und
verdeutlicht die Transformation der nachhaltigen Entwicklung zu einem
anthropogenen Entwicklungskonzept (vgl. WCED 1987 S.43ff). Der
Bericht wurde vielfach kritisiert, denn als multinationales
Konsensdokument formulierte es nur sehr vage Lösungsansätze (vgl.
Harborth 1993, S.59ff) und forderte nicht zu verbindlichen
internationalen Handeln oder Vereinbarungen auf. Der Bericht kann
vielmehr als Grundlage der nachhaltigen Entwicklungsthematik
angesehen werden (vgl. Hülsmann 2004 S.40)
Wie
von der Brundtland-Kommission vorgeschlagen, fanden fortlaufende
internationale Folgekonferenzen statt. Eine wichtige und wegweisende
Konferenz markierte die United Nations
Conference on Environment and Development (UNCED) 1992 in
Rio de Janeiro. In dieser Konferenz wurden mehrere Dokumente
erarbeitet, wobei das wichtigste die Agenda 21 darstellt. Diese
stellt ein umfassendes Aktionsprogramm für eine nachhaltige
Entwicklung dar und gibt anders als der Brundtland-Bericht, „konkrete
Handlungsempfehlungen für eine Vielzahl umwelt- und
entwicklungspolitischer Bereiche“ (Brugger 2010 S.16) vor. Neben
den Teilnehmern der 171 Staaten und den UN offiziellen, waren eine
Vielzahl an Nichtstaatlicher Organisationen (NGO) anwesend. Diese
forcierten neben den politischen Entscheidungsträgern das Konzept
einer nachhaltigen ökonomischen Verhaltensweise (Gordon/Bigg 1994
S.39ff). In der Konferenz von Rio wurden zum einen konkrete
Handlungsempfehlungen für nachhaltige Entwicklung erarbeitet und zum
anderen wurde der Grundstein für eine Institutionalisierung des
Konzepts einer nachhaltigen Entwicklung gelegt.
Zehn
Jahre später kam es in Johannesburg zur World
Summit on Sustainable Development (Sing 2002
S.15). Dieser unter hohem Erwartungsdruck stehende Gipfel sollte der
Nachhaltigkeitsdebatte, bzw. Politik neue Impulse verleihen. Mit dem
Aktionsplan „Plan
of Implementation of the World Summit on Sustainable Implementation“
bekräftigten 191 Staaten die Wichtigkeit der Agenda 21. Eine
Konvention auf völkerrechtlicher Basis blieb aber aus. Dieser
Aktionsplan wurde von vielen NGO als unzureichend deklariert, was dem
allgemeinen Tenor zum Ausgang der Konferenz entsprach (vgl. Weidinger 2002
S.120). Auf der Konferenz wurden die unterschiedlichen Zielsetzungen
der Teilnehmer deutlich. Für Industrienationen standen mehrheitlich
umweltpolitische Fragen im Vordergrund, Entwicklungsländer hingegen
sahen sozialpolitische Entwicklungen als wichtiger an. Das
Begriffsverständnis einer nachhaltigen Entwicklung umfasst daher
„die verschiedenen ökologischen, ökonomischen und sozialen Ziele
bei der Bestimmung von Entwicklungszielen“ (Vorholz/Majer 1994, S.
629). In der Literatur spricht man bei den verschiedenen
Themenfeldern von Dimensionen. Im folgenden Abschnitt folgt eine
detaillierte Beschreibung der einzelnen Dimensionen.
2.1.2 Dimensionen der Nachhaltigkeit
Die
ökologische Dimension beschäftigt
sich mit Fragen zur Belastbarkeit des vorhandenen Ökosystems. Die
Erhaltung von Naturkapital ist dabei von zentraler Bedeutung (vgl. Siebenhüner 2001
S.82). Unter Naturkapital versteht man natürliche und somit nicht
künstlich herstellbare Komponenten unseres Ökosystems. Zu diesen
zählen, die Erde selber, die Atmosphäre, Biomasse, Fischbestände,
Wälder, Erdöl, etc... (vgl. Costanza 1991 S.8). Die Wirtschaft als
Bedürfnisbefriedigungssystem der Menschheit, greift nicht nur auf
die natürlichen Ressourcen zu, vielmehr bilden sie die Grundlage
für das Überleben der Menschheit (vgl. Siebenhüner 2001 S.82).
Fragen, mit denen sich die ökologische Dimension beschäftigt, sind
vielschichtig. Im Grunde genommen können mit dem Terminus
ökologischer Nachhaltigkeit sämtliche Interaktionen zwischen Mensch
und Natur assoziiert werden. Exemplarisch seien einige
Problemstellungen erwähnt, mit denen sich die ökologische Dimension
beschäftigt: Übermäßig emittierte Treibhausgase, darunter das
klimaschädliche Kohlenstoffdioxid (CO2). Der beschleunigte Verbrauch
endlicher Ressourcen durch den weltweiten Hunger auf Erdöl. Verlust
der Biodiversität durch Aussterben von Pflanzen und Tieren und der
damit einhergehenden Verkleinerung des Genpools. Die Produktion und
Nutzung von Gefahrgütern (Plutonium), die eine Verschmutzung bzw.
Vergiftung von Biotopen zur Folge hat (vgl. Rieß 2010 S.31ff).
Die
soziale Dimension wurde lange Zeit vernachlässigt (vgl. Mathieu 2002
S.31), obwohl soziale Probleme einer stetig wachsenden Tendenz
unterliegen (vgl. Enquete-Kommission 1998 S. 61). In den vergangenen
Jahren hat es verschiedene Ansätze zur Operationalisierung gegeben,
dennoch ist die soziale Dimension geprägt durch Unschärfen. Bisher
hat es noch keine überzeugende Begründung für die Auswahl der
Komponenten der sozialen Dimensionen gegeben (vgl. Kopfmüller et al.
2001 S.75). Im deutschsprachigen Raum sehr bekannt, ist der von der
Enquete Kommission erarbeitete Ansatz der Operationalisierung. Dieser
Ansatz ist wie viele andere Ansätze geprägt vom Prinzip einer
sozialen Gerechtigkeit. Laut Kommission sind „soziale Stabilität
und individuelle Freiheit […] unverzichtbare Pfeiler für eine
nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung“ (Enquete-Kommission 1998
S.22). Solidarität bietet die Basis für gleiche, gerechte
Entwicklungschancen und ist Voraussetzung für Individualität und
Selbstentfaltung. Dabei muss sich das Individuum an dem Erhalt der
solidarischen Grundordnung orientieren (vgl. Enquete-Kommission 1998
S.22f).
Die
ökonomische Dimension und
somit die menschliche Wirtschaftsweise sind zentral für wesentliche
Aspekte der nachhaltigen Entwicklung. Traditionell liegt der Fokus in
den Wirtschaftswissenschaften auf Effizienzaspekten (wie
wird produziert) (vgl. Grunwald/Kopfmüller 2006 S.47f.) Von großer
Bedeutung ist hier das Minimal-Prinzip, welches besagt, „dass eine
bestimmte Leistung mit geringst möglichen Kosten, die mit einer
Prozesskette verbunden sind, erbracht werden soll.“ (Tiedtke 2007
S.31). Die Vermeidung von Ressourcenverschwendung steht hier im
Vordergrund, daher wird in der Literatur auch vom Effizienzprinzip
gesprochen. Im Zuge der aufkommenden Nachhaltigkeitsdebatte stehen
vermehrt Distributionsaspekte (für wen
wird produziert) im Zentrum der ökonomischen Betrachtung.
Verteilungsaspekte und die damit verbundenen Probleme sind in
zunehmendem Maße Gegenstand der öffentlichen Realität. (vgl. Kopfmüller
et al. S.85f). Das Streben nach Gewinnmaximierung ist nach wie
vor ein gewichtiger Faktor der Ökonomie, jedoch geschieht dies unter
neuen ethischen Gesichtspunkten. Es geschieht innerhalb ethisch,
moralischer Grenzen. Das Wohlergehen der Gemeinschaft, als
übergeordnete Wirtschaft tritt in den Vordergrund, um das
Wohlergehen der derzeitigen und künftigen Generationen zu sichern
vgl. (Enquete-Kommission 1998 S.26). Das bedeutetet im Umkehrschluss,
dass im Extremfall einzelne Unternehmen geschlossen werden müssen,
um die Gesamtstruktur der Wirtschaft zu verbessern (vgl. Fiedler 2007
S.19). Diese Auffassung führt zu unterschiedlichen Ausprägungen
innerhalb der Nachhaltigkeitsthematik. Auf der einen Seite gibt es
Vertreter einer schwachen
Nachhaltigkeit, die
den Verbrauch natürlichen Kapitals durch vom Menschen künstlich
geschaffenes Kapital auszugleichen versuchen. Auf diese Weise werden
den künftigen Generationen dieselben Voraussetzungen geboten wie der
Heutigen. Auf der anderen Seite gibt es Vertreter einer starken
Nachhaltigkeit, die
das Naturkapital als nicht substituierbar ansehen und einen Verbrauch
des Naturkapitals missbilligen, um den nachkommenden Generationen
dieselben Voraussetzungen zu bieten (vgl. Wilderer/Schroeder/Kopp 2005
S.68).
2.1.3 Zentrale Aspekte
In
der Literatur wird die Verflechtung der drei Dimensionen als
Drei-Säulen-Modell bezeichnet. Obwohl eine ganzheitliche Betrachtung
des Begriffs der Nachhaltigkeit nötig ist, hat es in der
Vergangenheit immer wieder Ansätze gegeben, die nur eine der drei
Dimensionen zur Lösung von Problemen berücksichtigte (vgl. Grunwald/Kopfmüller 2006
S.41). Die Betonung der jeweiligen Dimension richtete sich nach der
Interessenlage derjenigen, die die Diskussion führten.
Industrieländer verfolgten primär umweltpolitische Fragen und
stellten die ökologische Dimension in den Vordergrund,
Entwicklungsländer betrachteten die Debatte aus sozial-ökonomischer
Entwicklungsperspektive (vgl. Kopfmüller et al. S.31). Jede
Dimension besitzt das Potential isoliert betrachtet zu werden und
darin liegt auch die Gefahr des Drei-Säulen-Modells. Wie in der
Studie des Umweltbundesamtes 2002 deutlich wird, können durchaus
überzeugende Argumente für die Betrachtung nur einer Dimension (in
diesem Falle, der ökologischen Dimension) gefunden werden (vgl. Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen 2002,
S.68). Es besteht daher die Gefahr, dass sich das Drei-Säulen-Modell
selbst ad absurdum führt (vgl. Brand/Jochum 2000 S.75). Betrachtet
man die Probleme dieser Welt, wird deutlich warum nur eine
integrative, ganzheitliche Betrachtung das Konzept einer nachhaltigen
Entwicklung beschreiben kann. Folgendes Beispiel verdeutlicht kurz
die enge Verflechtung der einzelnen Dimensionen. Die Armut in
Entwicklungsländern kann zunächst als ökonomisches Problem
angesehen werden. Die Armut und Perspektivlosigkeit der Menschen
führt zu übermäßiger Ausbeutung natürlicher Ressourcen, wie
Fisch oder Holz. Aus der Überfischung und Überrodung entstehen
ökologische Probleme. Möchte man die Fischerei und Abholzung wieder
in ökologisch vertretbare Bahnen lenken, muss das ökonomische
Problem der Armut gelöst werden. Dies obliegt in der Regel sozialen
Herausforderungen, wie dem Aufbau eines Bildungssystems (vgl. Fiedler 2007
S.15). Die übergreifende Zielerreichung ist also nur möglich, wenn
die drei Dimensionen integrativ betrachtet werden (vgl. Loew et al.
2004 S.58). Einige Autoren sprechen explizit von einer Triade (vgl. Langer 2011
S.10) oder Triple Bottom Line, um die
Gleichberechtigung jeder Dimension zum Ausdruck zu bringen (vgl. Hermann 2005
S.15f). Bei dem Triple Bottom Line Ansatz schauen Unternehmen nicht
nur auf die ökonomischen Kennzahlen, sondern sie beachten auch die
Auswirkungen der unternehmerischen Tätigkeit auf Umwelt und
Gesellschaft (vgl. Crane/Matten 2010 S.34). Diese Betrachtungsweise
wird sowohl von Fachkreisen als auch gesellschaftlicher Seite
mehrheitlich bejaht (vgl. Hamacher 2000 S.23). Wie in Abbildung 2.1
zu sehen, ist Nachhaltigkeit als gleichmäßige Schnittmenge aller
Dimensionen zu verstehen. Maier-Rigaud
bring mit der Aussage: „Eine Politik in Richtung Nachhaltigkeit
soll danach ökologische, ökonomische und soziale Belange
gleichrangig und gleichzeitig beachten und verfolgen. Als nachhaltig
wird nur eine Entwicklung bezeichnet, die zugleich ökologie-,
ökonomie-, und sozialverträglich ist“ (Maier-Rigaud 1997, S.311),
die Wichtigkeit der Mehrdimensionalität des Nachhaltigkeitsbegriffs
auf den Punkt.
Eigene
Darstellung in Anlehnung an Clausen et al. 2002 S.107
Im
Brundtland-Bericht wurde die Generationen-Gerechtigkeit als eines der
Grundprinzipien der nachhaltigen Entwicklung erwähnt (vgl. Kapitel
2.1.1). Dieses Prinzip ist von essentieller Bedeutung innerhalb der
Nachhaltigkeitsdebatte. So schreibt Kreibich: „Die Forderung nach
intergenerativer Gerechtigkeit (Gerechtigkeit zwischen den
Generationen) und intragenerativer Gerechtigkeit (Gerechtigkeit
innerhalb einer Generation) bilden die wichtigsten normativen
Grundlagen des Nachhaltigkeit-Leitbildes“ (Kreibich 2003 S.222). In
dieser Aussage lässt sich erkennen, dass der Begriff der
Generationen-Gerechtigkeit aus zwei Komponenten besteht. Zum einen
inter-generative
Gerechtigkeit. Laut Brundtland-Bericht steht hier die Rücksichtnahme
der derzeitigen Generation auf kommende Generationen im Vordergrund
(vgl. Blank 2001 S. 375). Die derzeitige Generation muss in dem Maße
wirtschaften, dass die kommenden Generationen, dieselben Chancen auf
Verwirklichung ihrer Bedürfnisbefriedigung besitzen (vgl. Tremmel 2003a
S.34). Trägt die derzeitige Generation durch nachhaltige
Interaktionen innerhalb der drei Dimensionen, diesem Ansatz keine
Rechnung, sind künftige Generation in der Verwirklichung ihrer
Lebensstile eingeschränkt (vgl. Spangenberg 2003 S.23f). Zum anderen
intra-genererative-Gerechtigkeit,
auch als intertemporär oder internationale bezeichnet.
Hier stehen Verteilungsaspekte
der derzeit lebenden Generation auf globaler Ebene im Vordergrund.
Die Welt wird dabei in sich entwickelnde und Industrieländer
aufgeteilt (vgl. Blank 2001 S. 375). Industrieländer haben demnach
zur Aufgabe, die sich entwickelnden Länder zu unterstützen und die
Lebensverhältnisse zu verbessern (vgl. Kramer/Wagner 2001 S.25). Das
ursprüngliche Leitbild der inter-generativen-Gerechtigkeit wurde
somit um die intra-generative-Gerechtigkeit erweitert. Das dies
legitim ist, zeigt die mehrheitliche Befürwortung dieses Konzepts in
der Gesellschaft (vgl. Lunau/Wettstein 2004 S.53). Die Gerechtigkeit
zwischen den Generationen ist nur erstrebenswert, wenn die aktuelle
Generation keinen Ungerechtigkeiten unterliegt. Diese Gerechtigkeit
kann aber in der lebenden Generation nur erreicht werden, bei einem
Ausgleich der Staaten untereinander. Dies wäre aber den zukünftigen
Generationen gegenüber ungerecht (vgl. Brugger 2010 S.22).
Aus
diesem Zielkonflikt wird deutlich, dass es verschiedene Konzepte zur
Erreichung der Ziele bedarf. Eine
Strategie zur Erreichung der Ziele ist eine gesteigerte Effizienz
bei der Nutzung von Ressourcen. Eine Steigerung der
Ressourcenkapazität, der Stoffumläufe und Energieeffizienz ist
sowohl ökonomisch als auch ökologisch gesehen ein Vorteil. Es
verringert ökonomisch die Kosten und ökologisch die Belastungen.
Die Steigerung der Effizienz ist kein neues Konzept. In der Industrie
ist die Steigerung von Effizienz und Effektivität schon lange
Gegenstand der Bemühungen. Rationalisierungen und die Senkung von
Input-Output-Koeffizienten sind bereits seit Beginn der
Industrialisierung angestrebte Ziele zur Gewinnmaximierung (vgl. Huber 2000
S. 2). Auf diese Weise wird versucht die Grenzen des Wachstums zu
umgehen und dieses mit weniger Folgeproblemen zu realisieren. Die
Hoffnungen ruhen hierbei auf technologischen Fortschritt bei der
Herstellung von Produkten, aber auch auf Wiederverwendbarkeit und
Langlebigkeit selbiger (vgl. Grunwald/Kopfmüller 2006 S.76). Es gibt
Vertreter einer optimistischen Auffassung, die von einer
Effizienzrevolution sprechen. Diese postulieren, durch Erhöhung der
Ressourceneffizienz und bei gleichbleibendem Konsumniveau, können
die Input-Faktoren zur Bereitstellungen von Endleistungen um den
Faktor vier bis zehn, also um bis zu 90% verringert werden (vgl. Weizsäcker/Lovins 1995,
Schmidt-Bleek 1994).
Einen
anderen Weg geht das Konsistenzkonzept. Hier stehen nicht
quantitative, sondern qualitative Aspekte im Vordergrund. Im Kern
geht es um die Substitution von Stoffen, um den natürlichen
Stoffwechsel der Natur wieder herstellen zu können. Der Unterschied
zur Effizienz wird besonders deutlich, wenn man den Energiesektor
näher betrachtet. Das Effizienzprinzip versucht durch Erhöhung der
Wirkungsgrade in fossil befeuerten Kraftwerken eine gesteigerte
Energieausbeute zu ermöglichen. Vom Standpunkt der Konsistenz aus
gesehen, wird versucht die fossil befeuerten Kraftwerke durch solare,
regenerative Kraftwerke auszutauschen. (vgl. Huber 2000 S.3ff).
Dieser Ansatz verfolgt ebenfalls ein Wachsen der Stoffströme und
somit der Wirtschaft (vgl. Grunwald/Kopfmüller 2006 S.77).
Es
gibt Vertreter der Auffassung, dass die Ziele der nachhaltigen
Entwicklung mittels Effizienz und Konsistenz allein nicht erreicht
werden können. So wird der Effizienz unterstellt, langfristig nicht
nachhaltig zu sein. Effizienzsteigerungen am falschen Objekt, ein
begrenzter Nutzen der Effizienzsteigerung am richtigen Objekt,
aufgrund des Lebenszyklusprinzips und das Eintreten von
Reboundeffekten lassen diesen Schluss zu (vgl. Huber 2000 S.10). Der
Konsistenzansatz besitzt ebenfalls nur einen limitierten
Lösungscharakter. Sowohl derzeit als auch in den nächsten
Jahrzehnten wird es nicht möglich sein, die gesamte Wirtschaft und
die benötigten Stoffströme zu substituieren. Ferner ist es
fraglich, inwiefern Technik, Kapital und Wirtschaft, welche die
Verursacher der Probleme sind, auch zur Lösung der Probleme
beitragen können (vgl. Linz 2002 S.11). Tabelle 2.1 stellt diese
Gründe zum besseren Verständnis nochmals dar und erläutert die
jeweiligen Sachverhalte ausführlicher. Aus diesem Gedanken heraus
entwickelte sich das Suffizienzkonzept. Es stellt den Verzicht
auf Konsum in den Vordergrund und nicht mehr nur den alleinigen
Wunsch nach Wachstum. Vielmehr spielen Attribute wie Selbstbegrenzung
und Genügsamkeit eine vordergründige Rolle (vgl. Grunwald/Kopfmüller 2006
S.77). Es wird dabei eine postmaterielle Wertorientierung
proklamiert, um der unattraktiven Philosophie des reinen Verzichts
entgegenzuwirken (vgl. Hennicke 2002 S.66). Die Diskussion um
freiwilligen Verzicht auf politischer Ebene ist dennoch heikel.
Forderungen dürfen von moralischen Instanzen vorgebracht werden,
aber aus der Politik sorgen sie für Verwunderung. Die Forderung
eines Grünenpolitikers 1998 aus Suffizienzgedanken heraus auf die
Formel 1 in Deutschland zu verzichten, sorgte für allgemeine
Heiterkeit in der Gesellschaft (vgl. Peithmann 2002 S.49).
Das
Suffizienzprinzip kann als Grundlage für das Effizienz -und
Konsistenzprinzip angesehen werden. Die nicht integrative Betrachtung
der Prinzipien kann der Komplexität des Nachhaltigkeitskonzeptes
nicht gerecht werden. Nur eine komplementäre Betrachtung der
Prinzipien kann dies leisten (vgl. Brugger 2010 S.24).
Art
|
Auswirkung
|
Effizienzsteigerung
am falschen Objekt
|
Effizienzsteigerung
bei fossilen Energieträgern, denn auf langfristige Sicht,
sollen regenerative Energieträger die Basis bilden.
|
Effizienzsteigerung
am richtigen Objekt
|
Der
Grenznutzen eines Objekts nimmt im Verlauf der Zeit ab. Befindet
sich Technologien oder Objekte im Lebenszyklus der Reife, sind
Optimierung nur noch von geringerem Nutzen.
|
Der
Reboundeffekt
|
Effizienzsteigerungen
und Ressourceneinsparung werden durch gesteigerten Konsum
ausgeglichen. Man kann hier von spezifischen Sparen, zwecks
Reinvestieren sprechen (vgl. Huber 2000 S.10). Schaut man sich
beispielsweise den Golf der ersten Generation von 1978 an, ergibt
sich laut Hersteller ein Leergewicht von 845kg. Der Golf der
sechsten Generation mit Baujahr 2008 hingegen weist laut
Hersteller ein Leergewicht von 1217kg in der am schwächsten
motorisierten Ausführung auf. Obwohl die Technologie sich in den
letzten 30 Jahren ständig weiterentwickelte und Materialien immer
leichter wurden, hat sich das Gewicht des Golfs um ca. 50% erhöht.
Dies kann auf den gesteigerten Konsum und der erhöhten Nachfrage
nach Luxus zurückzuweisen sein.
|
Substituierung
|
Das
globale Wirtschaftsgefüge kann in den nächsten Jahrzehnten nicht
soweit verändert werden, dass die benötigten Stoffstrome
ganzheitlich ersetzt werden können. Es ist z. B. mehr als
unwahrscheinlich, dass der weltweite Energiebedarf in den nächsten
Jahrzehnten zu 100% von regenerativen Energien gedeckt wird (vgl.
Linz 2002 S.10).
|
Die
Probleme dieser Welt sind entstanden durch unsere Art zu
wirtschaften und dem damit verbundenen Einsatz von Technologien.
Es ist fraglich ob wir genau mit diesen Mitteln die entstandenen
Probleme lösen können (vgl. Linz 2002 S.10).
|
Tabelle
2.1: Limitierte Lösungsansätze von Effizienz und Konsistenz
1Im
englischen Original lautet die Mission heute: „ To
provide leadership and encourage partnership in caring for the
environment by inspiring, informing, and enabling nations and
peoples to improve their quality of life without compromising that
of future generations (UNEP 2011, About UNEP)
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